Anerkannte deutschsprachige Volksgruppe im Königsreich Jugoslawien

   „Die wenigen, verstreuten, nicht autochthonen “Deutschen”, so Dr. Danijel Grafenauer in einem längeren Interview in der Samstagsbeilage DELO am 15. Juli 2023, wenn er den “Rest der Reste” der Deutschen in unserem Land (Slowenien) analysiert, „nur eine kleine ethnische Gruppe von Einwohnern, die weit davon entfernt sind, eine Minderheit zu sein.” sagt dr. Grafenauer.

   Da Dr. Danijel Grafenauer sogar beim Institut für ethnische Fragen angestellt ist, sollte er die Wahrheit und die historischen Fakten schon kennen, sonst ist er nur ein reiner Politaktivist. Er sollte ja wissen, dass wir deutschsprachigen in Slowenien bereits als autochthone und international anerkannte deutschsprachige Minderheit in diesem Gebiet anerkannt sind.

    Wir reden über Der Vertrag zwischen den alliierten und assoziierten Hauptmächten und dem Staat der Serben, Kroaten und Slowenen (im Folgenden SHS-Vertrag) der am 10. 9.1919 beschlossen wurde und über den Schutz nationaler Minderheiten im Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen spricht; der sich auf die Bestimmungen von Artikel 51 des Vertrags von Saint-Germain (Vertrag mit Österreich) und Artikel 44 des Vertrags von Trianon (Vertrag mit Ungarn der am 10. September 1919 separat geschlossen wurde) stützt.

    Das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen gehörte zu der Kategorie der neu geschaffenen oder erweiterten Staaten, die noch dabei waren, die verschiedenen Komponenten ihrer eigenen Staatlichkeit zu ordnen. Die Frage der Staatsbürgerschaft für Angehörige ethnischer Minderheiten war von größter Bedeutung. Es musste verhindert werden, dass die neu geschaffenen Staaten den Angehörigen von Minderheiten das Recht auf Staatsangehörigkeit zu verweigern. Der Vertrag mit der SHS behandelte die Frage der Staatsangehörigkeit in den Artikeln 3 und 4.

Ich zitiere aus dem Text Nationale Minderheiten in Slowenien 1920-1941 von Profesor Dr. Miran Komac. In diesem Text können wir lesen:” Im Vertrag mit dem SHS-Staat wurde besonderes Augenmerk auf die Gewährleistung der formalen Gleichheit und den Schutz vor Diskriminierung gelegt (Garantie der bürgerlichen und politischen Rechte, diskriminierungsfreie Behandlung bei der Zulassung zum öffentlichen Dienst, bei der Ausübung von Dienstleistungen und Berufen).”

   Zu den so genannten Sonderrechten gehörte das Recht der nationalen Minderheiten, auf eigene Kosten karitative, soziale und religiöse Einrichtungen, Schulen und Ausbildungsstätten zu gründen und zu betreiben. Sie hatten auch das Recht, ihre Sprache frei zu verwenden und ihre religiösen Riten frei zu praktizieren (Artikel 8 des Vertrags mit dem SHS).

   Welche so genannten besonderen Minderheitenrechte lassen sich aus dem Vertrag über den Schutz von Minderheiten mit dem SHS ableiten? Das wären jene Rechte, die der Staat nicht nur zu dulden, zu tolerieren, sondern auch durch entsprechende Maßnahmen zu gewährleisten hat. Es scheint, dass drei sogenannte besondere nationale Minderheitenrechte in dem besagten Vertrag zu finden sind. Diese sind:
a) das Recht, sich in der Minderheitensprache schriftlich oder mündlich vor Gericht zu äußern (Art. 7 Abs. 4)5);
b) das Recht auf Grundschulunterricht in der Minderheitensprache (Art. 9 Abs. 6); und
c) das Recht auf angemessene Beteiligung an öffentlichen Mitteln (Art. 9 Abs. 4).

    Welche Minderheiten wurden also im SHS automatisch als autochthon anerkannt? Da das Gebiet Primorska/Küstenland bis und mit Postojna zu Italien gehörte, gab es keine italienische Minderheit. Mit der Auflösung der österreichisch-ungarischen Monarchie annektierte Slowenien ein konzentriertes Siedlungsgebiet der ungarischen nationalen Minderheit – Prekmurje/ Übermurgebiet. Als Prekmurje/ Übermurgebiet von Slowenien annektiert wurde, war das neu annektierte Gebiet über den Fluss Mur nur per Boot zu überqueren, beschreibt dr. Komac.

Deutschsprachige Minderheit im Königsreich Jugoslawien
   Es gab aber auch noch eine andere Minderheit, die Deutschen, die auf dem Gebiet Sloweniens lebten; sie wohnten in Kraingebiet, Steiermark, Übermurgebiet und Draugebiet. Bei der Volkszählung von 1921 gaben 41.514 Menschen in Slowenien an, dass ihre Muttersprache Deutsch sei, was weniger als 4 % der slowenischen Bevölkerung ausmachte. Es sei darauf hingewiesen werden, dass diese Zahl nur jene “Deutsche” umfasst, deren Mutter oder beide Elternteile nachweislich Deutsche waren, die also schon damals nach rassistischen Wurzeln gezählt wurden. Die meisten Deutschsprachigen lebten schon damals in gemischten slowenisch-deutschen Ehen und waren in der österreichisch-ungarischen Monarchie zweisprachig.

    Die deutsche Bevölkerung setzte sich sowohl aus den landwirtschaftlichen Siedlerinseln als auch aus der städtischen Bevölkerung, aus Arbeitern, Kaufleuten, Handwerkern, Industriellen und Angehörigen der freien Berufe zusammen. Die Deutschen in Slowenien waren zahlenmäßig die kleinste deutsche Minderheit in dem neuen SHS Staat (die meisten Deutschen, 450.000 waren ja in Vojvodina), aber wirtschaftlich und national bei weitem die stärkste, die am besten organisierte, mit einer reichen kulturellen und politischen Tradition und mit einem stark ausgeprägten Nationalbewusstsein (Biber 1966, 14).

     Die Deutschen besaßen auch nach dem 1. Weltkrieg in Slowenien viele Industriebetriebe, Bank- und Kreditinstitute, Wohnungen und andere Gebäude (in manchen Städten fast 60 %); der deutsche Grundbesitz war umfangreich. Gerade wegen ihrer wirtschaftlichen Stärke und ihrer reichen Organisationserfahrung hatte das Deutschtum in Slowenien einen entscheidenden Einfluss auf den Aufbau der deutschen Minderheitenorganisationen im Königsreich Jugoslawien.

   In den Städten gab es eine starke deutsche Präsenz. Die größte deutsche Bevölkerung gab es in Maribor/Marburg an der Drau, Celje/Cilli und Ptuj/Pettau.

    Deutsche Bevölkerung auf dem Lande gab es in Prekmurje (Gemeinden Serdica, Fikšinci, Ocinje und Kramarovci) und in dem als Abstallbecken bekannten Gebiet der Steiermark. Nach der Volkszählung von 1910 lebten in diesem Gebiet 7.370 Menschen-Bürger, davon 6197 Deutsche und 715 Slowenen. Elf Jahre später ergab die Volkszählung im Königreich SHS 7.835 Einwohner, davon 4.773 Deutsche und 2.950 Slowenen. Die Ursache für den starken ethnischen Umschwung liegt in der Abwanderung der deutschen Bevölkerung und der Zuwanderung von Slowenen aus Prekmurje. Die Veränderungen in der ethnischen Zusammensetzung spiegelten sich jedoch nicht in den Eigentumsverhältnissen wider: Der Grundbesitz befand sich weiterhin in deutscher Hand, und die Slowenen bildeten fast ausschließlich ein Agrarproletariat.

     Die Deutschen besiedelten auch ein großes Gebiet in Gottschee. Nach der Volkszählung von 1921 lebten dort noch 12.610 Deutsche, davon 1.062 in der Stadt Kočevje/Gottschee. Im Gottschee Gebiet lebten 5.264 Slowenen, von denen 2.020 in der Stadt Kočevje/Gottschee. Die Gottschee Deutschen erhielten neben den wirtschaftlichen Privilegien (Hausierhandel) auch politische Rechte. Sie hatten einen eigenen Vertreter in der Krain Landesversammlung, und 1907 erhielten sie sogar ein Sondermandat in der Nationalversammlung in Wien.

   Die Haltung der slowenischen Behörden gegenüber den Angehörigen der deutschen Minderheit war ähnlich abstoßend wie jene gegenüber den Angehörigen der ungarischen Minderheit, schreibt dr. Komac.

   Und jetzt werden Sie sagen, was geht uns das alte Königreich Jugoslawien an. Aber gleichzeitig sprechen Sie zu Recht vom Kärntner Plebiszit und den Folgen einer “Fehlentscheidung”.

    Warum geben Sie uns nicht die gleichen Rechte, denn es ist doch ganz klar, dass nach dem Zusammenbruch der österreichisch-ungarischen Monarchie Minderheiten auf beiden Seiten der Grenze entstanden sind, und warum leugnen Sie das so hartnäckig ab?
   Lassen Sie mich mit einem Zitat von Dr. Marjan Sturm schließen: “Ich kann nicht sagen, ich fordere alle Rechte nur für die Kärntner Slowenen, aber keine Rechte für die deutsche Minderheit in Slowenien. Wenn es die deutsche Minderheit hier gibt, und Slowenien selbst erkennt das ja an, dann muss Slowenien auch etwas dafür tun. Wenn ich mir nur anschaue, wie viel Unterstützung wir in Österreich bekommen und wie viel Unterstützung die deutsche Minderheit in Slowenien bekommt. Dann gibt es keine Ausrede mehr. Man muss mit ihnen in den Dialog treten, mit ihnen reden, und die müssen sagen, was sie wollen.” Ende des Zitats.

Veronika Haring, Obfrau Kulturverein deutschsprashige Frauen “Br’ucken” Maribor/Marburg

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