Ivan Lah- Brief

    In seiner Antwort auf den Artikel unter dem oben genannten Titel in PP29 vom 29. Juli schrieb Herr Jan Schaller, Präsident des Bundes der Gottscheer und der Steirer in Slowenien, einige beleidigende, an Hassrede grenzende Sätze über die Slowenen, z.B. “Habt ihr solche Angst, der Wahrheit ins Auge zu sehen und eure Fehler in der Vergangenheit zuzugeben?”

     Eine berechtigte Frage ist umgekehrt: Ist sich Schaller der moralischen Sünde bewusst, die die Gottscheer zusammen mit ihren deutschen Führern begangen haben, als sie sich in slowenischen Häusern entlang der Save und Sotla und anderswo niederließen, aus denen die Einheimischen zuvor vertrieben worden waren – mindestens 20.000 Menschen allein aus diesen Orten? Ein Teil der Vertriebenen war dann zur Demütigung bestimmt, während der Rest nach Görings Befehl behandelt wurde: “nicht zu töten, bei der Arbeit zu Tode gequält zu werden.”

    Die slowenische Nation kämpfte zu dieser Zeit um ihr Überleben, aber gemeinsam mit den Alliierten gewann sie und überlebte. Weder der materielle noch der soziale Schaden, den die deutschen Besatzer zehntausenden von Slowenen zugefügt haben, wurde jemals wirklich wiedergutgemacht.

    Ist sich Schaller bewusst, dass diese moralische Sünde der Grund war, warum die Mehrheit der Deutschen mit ihrer besiegten Armee aus Slowenien floh? Nur wenige von ihnen flüchteten damals unbelastet, änderten ihre nationale Identität, sogar ihre Nachnamen, und beteiligten sich nach dem Krieg zusammen mit den Slowenen konstruktiv an der Heilung der Wunden des von den Besatzern zerstörten Landes.

     Warum sollte jemand Kidrič Aussage “Die deutsche Minderheit wird in unserem Land (Slowenien) keine Rechte haben, weil es keine deutsche Minderheit geben wird” unter diesen Umständen inakzeptabel finden? Er hat die erwartete Wahrheit gesagt, was für die befreite, vom Krieg gezeichnete slowenische Nation ganz normal war. Schaller wundert sich darüber – weiß er, wovon er spricht und schreibt?

    Es stimmt, dass die neuen slowenischen Behörden nach der Unabhängigkeit einen Fehler gemacht haben, als sie den ehemaligen Kollaborateuren (damals und heute ausländischen Staatsbürgern) einen Teil des beschlagnahmten Vermögens des ehemaligen deutschen Besitzes zurückgaben, obwohl die Entschädigung für die Beschlagnahme von ihren eigenen, den Besatzerstaaten, die sich der Aggressivität schuldig gemacht hatten, an sie hätte zurückbezahlt werden müssen. Ermutigt haben einige nun damit begonnen, ihre ehemals standardmäßigen Nachnamen wieder in Deutsch einzutragen.

   Wenn Schaller auf die heutige „deutsche etnogrupe“ in Slowenien (deutsch Volksgruppe) in der Größenklasse von zweitausend Menschen verweist, sollte er sich bewusst machen, dass demgegenüber der deutsche Besatzer mindestens zweihunderttausend Slowenen zu Tode gebracht oder anderweitig behindert hat, was einem Verhältnis von 1:100 zu Lasten der Slowenen entspricht – und diese Handvoll (was??) erleidet im Vergleich zu den Massen der betroffenen Slowenen nicht einmal einen Schaden. Wer sich auf Gerechtigkeit beruft, muss also auch berücksichtigen, wie viel Unrecht die andere Seite schon erlitten hat! Der deutschen Gruppe geht es nicht einmal um die Wiedergutmachung von Unrecht, sondern um die Erlangung neuer Rechte!

    Wenn Schaller die Frage nach der Angst der Slowenen vor der Wahrheit über die Fehler der Vergangenheit stellt, wundern sich die Slowenen zu Recht über die moralische Haltung der Gottscheer und ihrer Mitstreiter, solche Fragen ohne Scham zu stellen. Die Verbrechen der Besatzer werden den jüngeren Generationen in ganz Slowenien von Generation zu Generation erzählt, so dass sich die deutschgesinnten Überbleibsel offenbar nicht ausreichend bewusst sind, dass sie noch immer mit den Fehlern der Vergangenheit belastet sind. Für sie ist die Zeit des Vergessens offenbar schnell vergangen, während für die Slowenen, die die Hölle des deutschen Jochs überlebt haben, das Vergessen wohl erst in Generationen kommen wird.

     Herr Jan Schaller sollte über die Beziehungen zu seinen Mitbürgern gründlicher nachdenken, bevor er beleidigende Fragen stellt!

Ivan LAH, Ljubljana

IMPRESSUM:

E-Mail: steiermark.stajerska@gmail.com
Redakteur: Jan Schaller
Ein Unabhängiges Autorenprojekt des
Kulturvereines deutschsprachiger Frauen »Brücken«
Marburg an der Drau/ Maribor

Die Beiträge der Autoren und Autorinnen der Webseite Steiermark-Stajerska müssen nicht der offizielle Meinung des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten entsprechen.

SPONSOR:

© 2022. Alle Rechte vorbehalten

Priloga-3