4. Teil: Deutsche - Fremde in der Heimat

Wenn selbst nach der offiziellen Statistik nur 82 Österreicher und 62 Deutsche, insgesamt nur 144 Personen, von 1948 bis 1952 offiziell nach Slowenien kamen (Volkszählung 2002), warum behauptet dann die Doktorarbeit,“ dass Anfang 1950, nach dem Krieg, sogar 18.000 Deutsche nach Jugoslawien kamen ?…. Daher kann die Zahl der 2.406 Angehörigen der österreichischen und deutschen Volksgruppe sicher nicht als Zahl der übriggebliebenen Angehörigen der deutschen Volksminderheit aus der Zeit vor dem Krieg betrachtet werden.“ (Warum erwähnt er letzteres, da ihm ja niemand, dass gefragt hat? Ist es wegen des schlechten Gewissens?)

     Diese magische Zahl von 18.000 ist die Zahl der Überlebenden der Internierung der Deutschen in den slowenischen Konzentrationslagern unmittelbar nach dem Krieg; also der Rest der Deutschen, die in KZ-Lager nicht verhungert oder an Krankheiten gestorben sind oder in diesen Lagern nicht getötet wurden. Dies ist der Rest derjenigen, die es nicht geschafft haben, über die Grenze nach Österreich zu fliehen, weil sie, auch wenn sie illegal nach Österreich gekommen sind, von den englischen Behörden wieder nach Jugoslawien zurückgeschickt wurden, weil die Flüchtlingszentren in Österreich bereits überfüllt waren. Sie waren also gezwungen, in ihrer alten Heimat, im neuen kommunistischen Jugoslawien, zu bleiben.

          In der Nachkriegszeit gab es drei Arten von Konzentrationslagern: für deutsche Minderheit, „Nemčurji-volksdeutsche”, für slowenische Ungarn und für Soldaten der slowenischer Heimatarmee-domobranci und ihre Familienangehörigen. Das zentrale Konzentrationslager für Deutsche in Slowenien war Sterntal/Strnišče bei Ptuj, heute Kidričevo. Während des Krieges war dort ein Arbeitslager der Nazis für 2 000 Arbeiter, die eine neue Aluminiumfabrik bauten. Am 13. Juni 1945 meldeten Mitja Ribičič und Bojan Polak-Stjenka dem General Maček, “dass sie einen geeigneten Platz für ein Lager entdeckt hatten, in dem 20 bis 25 Tausend „švabov“(Schimpfwort für Deutsche) untergebracht werden könnten”, heißt es in einem der von Mikola veröffentlichten Dokument. “Die Bedingungen und die Behandlung in diesen Lagern waren so, dass sie in jeder Hinsicht mit den Konzentrationslagern der Nazis verglichen werden können”, fügt er hinzu.

       Dr. Milko Mikola, pensionierter Direktor des Studienzentrums für nationale Versöhnung, beschreibt die damalige Situation in seiner Studie: „Konzentrationslager für deutsche und ungarische Nationalitäten in Slowenien im Jahr 1945. “Die Einrichtung von Konzentrationslagern für Angehörige der deutschen Minderheit in Slowenien in der Nachkriegszeit stand in direktem Zusammenhang mit deren Deportation. Gemäß der These von der Kollektivschuld der gesamten deutschen Minderheit die von den Nazis an den Angehörigen der jugoslawischen Völker begangenen Verbrechen … wurde bereits im November 1944 beschlossen, alle deutschen Staatsangehörigen auszuweisen und ihr Eigentum zu beschlagnahmen. Nach den Beschlüssen des AVNOJ waren nur diejenigen Personen deutscher Staatsangehörigkeit von der Ausweisung und damit von der Beschlagnahme ihres gesamten Vermögens ausgenommen, die nachweisen konnten, dass sie aktiv an der NOB teilgenommen hatten. Da die meisten von ihnen diese Bedingungen nicht erfüllten, bedeutete dies faktisch die Ausweisung und Konfiszierung des Eigentums der gesamten deutschen Minderheit und den Verlust der Staatsbürgerschaft. (Es sei darauf hingewiesen, dass die meisten Deutschen, die mit den Partisanen kollaborierten, ebenfalls verurteilt wurden, ihres Eigentums beraubt und einige von ihnen sogar ermordet wurden – die konkreten Fälle werden in einem gesonderten Text behandelt).

        Auch in Slowenien wurden Konzentrationslager eingerichtet, um den Plan zur Vertreibung der einheimischen Deutschen zu verwirklichen. Nach Angaben von Dr. Vladimir Geiger wurden in Jugoslawien zwischen 1944 und 1948 siebzig Lager errichtet. Das zentrale Konzentrationslager für Deutsche aus ganz Slowenien wurde von der OZNA in Sterntal/Strnišč, heute Kidričevo, eingerichtet, das zweitgrößte in Tüchern/Teharje bei Celje (siehe Tabelle – Liste der Lager). Neben den größeren Konzentrationslagern gab es auch “Sammellager”, wie Thesen/Tezno bei Marburg/Maribor, Gams/Kamnica bei Marburg/Maribor, Gonobitzdorf/ Slovenske Konjice und Hrastnig/Hrastnik. Neben den Angehörigen der deutschen Minderheit waren in den Konzentrationslagern auch Slowenen inhaftiert, die verdächtigt wurden, während der Besatzung mit den Besatzern kollaboriert und durch ihre Handlungen die slowenische Nationalehre verletzt zu haben, was von den neu eingerichteten slowenischen Nationalen Ehrengerichten gesondert behandelt wurde.”
Tabelle 1

      Die neuen Nachkriegsbehörden mussten jedoch aufgrund des internationalen Drucks und der Interventionen des Roten Kreuzes die Konzentrationslager noch vor den ersten Wahlen im Jahr 1945 auflösen, weil sonst auch nicht einmal formal die ersten Wahlen demokratisch sein könnten. Tatsächlich lösten die Kommunisten im Oktober 1945 die meisten dieser “Schwabenlager” auf, entließen die meisten Lagerinsassen und benannten das Lager Sterntal/Strnišče neu ins “Arbeitslager für zur Zwangsarbeit verurteilte Häftlinge” um. Diese neuen „Arbeitslager“ wurden erst  im April 1950 aufgelöst, aber es ist absurd, dass die verbliebenen Häftlinge nach Laibach/Ljubljana verlegt wurden, wo sie in „Titovi zavodi“ (Titos Anstalt) Litostroj Zwangsarbeit leisten mussten.

        Dr. Marjan Toš, Historiker, Publizist und Museumsberater, schreibt über das Ende des Lagers Gutenhag/Hrastovec in seinem umfassenden Text “Die Opfer des Konzentrationslagers Gutenhag/ Hrastovec“: “Das Lager Gutenhag/Hrastovec sollte zusammen mit dem Lager Sterntal/Strnišče vor den Wahlen aufgelöst werden.  Die Lagerinsassen wurden von der OZNA in spezielle Gruppen eingeteilt, eine Gruppe für die Vertriebenen, eine Gruppe für die Übergabe an die Gerichte und eine Gruppe, wo die Lagerinsassen Entlassen-frei werden. Es war schwierig, Entscheidungen zu treffen, da die Unterlagen über die Lagerinsassen spärlich und unvollständig waren. In diesem Zeitraum waren keine weiteren Gefangenen zur außergerichtlichen Tötung vorgesehen, dies war ja bereits geschehen. Nach drei Tagen, in denen die Unterlagen sortiert wurden, die notwendigen Informationen gesammelt und die Lagerinsassen in Gruppen eingeteilt wurden, wurde am Ende beschlossen, alle Lagerinsassen frei zu entlassen, die sollten nach Hause gehen. Die Lagerinsassen glaubten das aber nicht, also öffnete die Verwaltung alle Türen und trieb sie buchstäblich aus dem Schloss Gutenhag/Hrastovec.”

           Natürlich fehlen in den Berichten von 1945 und in den Berichten über die Konzentrationslager noch einige schreckliche Geschichten, wie die über die Ausrottung der deutschen Ureinwohner im Abstallfeld/Apaško polje, als sie während der Sonntagsmesse (Sonntag, 13. Januar 1946) gewaltsam abtransportiert wurden, und so 2.181 deutsche Ureinwohner aus 26 Dörfern in Viehwaggons abtransportiert wurden (mehr dazu an anderer Stelle). In drei Wochen starben 77 Menschen in der bitteren Kälte.

       In allen offiziellen Nachkriegsdokumenten heißt es, dass alle Deutschen nach dem Krieg aus Slowenien vertrieben wurden, aber die englischen Besatzungsbehörden weigerten sich, sie alle aufzunehmen. Aus den österreichischen Dokumenten geht jedoch klar hervor, dass bei den Überfüllten Flüchtlingslager alle neue Fluchtlinge wieder zurück über die Grenze nach Jugoslawien geschickt wurden.  Sie mussten also ihre deutschen Wurzeln verleugnen, wenn sie überleben wollten. Und wenn man hungrig und durstig ist, ohne Arbeit, muss man überleben, egal wie.

      So blieb auch nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ein Teil der ehemals großen deutschsprachigen Minderheit in ihrer Heimat, wo sie geboren wurden, meist in Mischehen, was den neuen Behörden natürlich nicht gefiel, denn für sie war die deutsche Frage vom Tisch. Doch die Realität sah anders aus, und so war für alle Deutschen, die trotzdem blieben, der obligatorische Spitzname “nemčur-folksdojče” (Schimpfwort) und die radikalen Sanktionen, die sie erfuhren, waren:

1) Der gesamte Familienbesitz – Fabriken und Privathäuser – wurde beschlagnahmt und verstaatlicht. Die Familie wurde dann als Untermieter in 1-2-Zimmer-Wohnungen, meist im selben Privathaus, untergebracht.

2) Fabrikbesitzer – “Feinde der Arbeiterklasse” (einschließlich reicher Slowenen) wurden zu mehrjähriger Zwangsarbeit verurteilt (Zwangsarbeit bis April 1950).

3. die Deutschsprachigen wurden für einige Jahre – zwischen 1945 und 1948 – staatenlos gemacht

4.Ohne Staatsbürgerschaft hatten sie kein Wahlrecht, was auch beabsichtigt war.

5. danach wurden ihre deutschen Namen geändert, ausgesprochen – Č; Ž: Š

6. trotz meist guter Ausbildung keinen oder einen viel schlechteren Arbeitsplatz bekommen haben

7. die Geheimpolizei habe “auf nette Weise beeinflusst”, dass sie sich nicht mehr öffentlich als Deutsche bekennen durften, da sie sonst wieder Ärger mit den neuen Behörden bekommen und im Gefängnis landen könnten.

8. Deutsch war als Fremdsprache in den Schulen nicht erlaubt, weil es die Sprache der “Naziverräter – unserer Klassenfeinde” war.

9. die Medien haben öffentlich die Assimilierung der verbliebenen Deutschen gefordert

10. es sei “nicht anständig oder angemessen”, im öffentlichen Leben Deutsch zu sprechen,

11. Die Deutschen wurden bei den Volkszählungen zwischen den Zeilen gewarnt, sich nicht als Deutsche zu erkennen zu geben, weil sie dann Verräter seien.  Die Volkszählungsbeamten wurden jedoch von der Geheimpolizei der UDBA instruiert. Es wurde ein Klima der Einschüchterung geschaffen.

       Für Uneingeweihte: Im Jahr 1948 besaßen die meisten Deutschen, die in ihrem Geburtsort in Slowenien zu Hause geblieben sind, nicht einmal die Staatsbürgerschaft und damit auch nicht das Wahlrecht und existierten somit zum Zeitpunkt der Volkszählung offiziell gar nicht.  Nach 1945 wurden sie zu Menschen zweiter Klasse geworden und sind auch heute noch.

         Es ist eine Frage der Wahrheit, der Gerechtigkeit, Schuld anzuerkennen für Unrecht auf beide Seiten, der Entschuldigung und des Bedauerns für all das Unrecht, das irgendjemand irgendeinem Volk angetan hat. Deshalb ist es unakzeptabel, dass es auch 30 Jahre nach der Gründung des unabhängigen Staates Sloweniens noch über 600 illegale Massengräber gibt, wo  die nach dem Krieg Getöteten liegen,  und noch immer  nicht als Menschen begraben wurden.

Jan Schaller

 

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